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Benedikt und die Empörten

Donnerstag, 5. Februar 2009 / 11:13 Uhr
aktualisiert: 12:37 Uhr

Selten ist in den letzten Jahrzehnten ein Papst dermassen unter Beschuss gewesen, wie derzeit Benedikt XVI. Seine – für viele Leute – unverzeihliche W ...

Selten ist in den letzten Jahrzehnten ein Papst dermassen unter Beschuss gewesen, wie derzeit Benedikt XVI. Seine – für viele Leute – unverzeihliche Wiederaufnahme der Ultra-Konservativen Pius-Bruderschaft in den Schoss der katholischen Kirche (inklusive Holocaust-Leugner Williamson), brachte für viele Gläubige das Fass zum überlaufen.

Doch schon zuvor hat er den Zorn vieler Menschen erregt. Seien es nun sein Jahresrückblick auf 2008, in dem er die Geschlechter-Rollen wieder auf traditionellste Werte zementierte und Homosexuelle eindeutig ausgrenzte, oder auch vorpäpstliche Äusserungen (als er noch Vorsitzender der einstigen Inquisitionsbehörde war), in denen er den Alleinvertretungsanspruch der katholischen Kirche in Sachen Seelenheil bekräftigte.

Auch wenn jetzt ein Sturm der Empörung tobt, Joseph Ratzinger wird auf seiner Linie bleiben – ganz egal, ob sich seine Gläubigen oder gar seine Bischöfe darüber empören oder nicht. Denn er ist Papst und mit diesem Posten geht ein Anspruch auf Unfehlbarkeit in Glaubenssachen einher. Dies äussert sich auch in einem von ihm eindeutig formulierten -Statement zur Mission, wenn es um die Verwässerung des Katholizismus geht, die seiner Meinung nach dem zweiten vatikanischen Konzil folgte: «Dass allerdings durch blosse Erleichterungen, Anpassungen und Konzessionen nicht die richtige Form von Konzentration, Vereinfachung und Vertiefung gewählt ist, das zeigt sich jetzt immer mehr.»

Für alle Gelegenheits-Katholiken in klaren Worten: «Katholizismus Light» -das gibt es unter Ratzi nicht mehr. Fertig mit Kuschel-Christentum! Und warum auch nicht? Religionen wurden erst unter dem Druck der Aufklärung und der im Angesicht von Wissenschaft und Forschung völligen Absurdität ihrer Wahrheitsansprüche weicher und gegenüber der Realität toleranter. Doch das ändert nichts an den Kernaussagen in den zugrunde liegenden Schriften, die bei allen monotheistischen Religionen dieselbe ist: Nur wir haben recht!

Ökumenische Bewegungen sind in dieser Hinsicht der Gipfel der Absurdität: Wenn es nur einen wahren Glauben gibt, gibt es auch nur eine Wahrheit und natürlich denken die Vertreter aller teilnehmenden Gruppen immer, dass ihre Gruppe jene mit dieser ist und die anderen mehr oder weniger daneben liegen. Doch das traute sich niemand auszusprechen. Denn immerhin glauben auch die anderen an Gott – immer noch besser als die Ungläubigen, deren Einfluss auf die Gesellschaft die Kirchen erst zu solchen Eingeständnissen gezwungen hat und gegen die man sich verteidigen muss.

Dieser interreligiöse Kuschelkurs (der soweit geht, dass aus Glaubenskreisen die Anerkennung von Scharia-Gerichten für muslimische Immigranten in Europa als eine innovative Idee betrachtet wird), wird nun ausgerechnet vom einstmals als Panzerkardinal bezeichneten Papst torpediert. Er erinnert mit seinem Anspruch, die Wahrheit in dieser «relativistischen» Zeit für sich gepachtet zu haben, an die Zeiten, in denen Andersgläubige blutig verfolgt worden sind, in denen in Religionskriegen ganze Landstriche entvölkert wurden.

Dabei sollte einfach bedacht werden: Der Papst handelt nicht irrational sondern als einer, der die (seiner «unfehlbaren» Meinung nach) reine Lehre vertritt. Er richtet damit ein Schlaglicht auf das Wesen des Glaubens und zwingt hoffentlich viele dazu, ihre Einstellungen in dieser Hinsicht zu überdenken.

Die Empörten werden den Papst dabei nicht gross Beeindrucken – er sieht sich als Nonkonformist, und Vertreter eines Christentums, dem sich die Welt entgegenstellt, eine Welt die Toleranz und Offenheit will, Dinge die für Benedikt XVI nicht auf der Tagesordnung stehen und in nächster Zeit auch nicht in diese aufgenommen werden.

(von Patrik Etschmayer/news.ch)


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