X-mal war dieser Rennhund mit ihm selber durchgebrannt. «Es ist auch eine Frage der Rennintelligenz», hatte Cheftrainer Martin Rufener ihn am Samstag nach dem Ausscheiden im Riesenslalom harsch kritisiert. «So darf man einfach nicht Ski fahren.»
24 Stunden später war alles Makulatur, auch die Theorie, wie man selbst einen so begnadeten Rennfahrer wie Berthod über die heikle 30er-Klippe in der Weltcup-Rangliste an die Spitze heranführt.
Vier Jahre lang war das Berthods Hauptproblem. Immer wieder mal ein Spitzenresultat, aber noch Ausfälle, ganz nach seinem SOS-Motto «Sieg oder Sturz».
Am Samstag war er im Riesenslalom wegen seines Sturzes aus den Top 30 ins Niemandsland der 50er- und 60er-Startnummern zurückgeworfen worden, am Sonntag machte er auf wundersame Weise den umgekehrten Weg zurück. Von der Nummer 60 direkt aufs 1!
Schon vor zwei Jahren hatte er am Chuenisbärgli eine Kostprobe seines Talents gegeben. Damals preschte er im Riesenslalom mit der Nummer 58 auf den 7. Platz vor.
Brunner: «Trotzdem noch kein Siegläufer»
Sein Karrieren- und Zimmergefährte Daniel Albrecht, an der Junioren-WM 2003, wo Berthod Slalom-Gold gewann, dreifacher Weltmeister in Abfahrt, Riesenslalom und Kombination, wählte den behutsameren Weg.
«Ich gab mir drei Jahre, um mich in den FIS- und Weltranglisten noch vorne zu kämpfen, und habe in dieser Zeit oft das Risiko dosiert. Jetzt fällts mir zuweilen schwer, die Zügel wieder loszulassen. Marc ist aber einer, der immer ´volles Rohr´ fährt.»
Die Konsequenz: Albrecht gehört bereits dem A-Team an, Berthod noch immer der B-Mannschaft. Dafür macht er nun, typisch für Berthod, den direkten Durchmarsch in die Nationalmannschaft.
«Er ist ein wilder Hund, der zu allem fähig ist», sagt Slalomtrainer Sepp Brunner über Marc Berthod. «Deshalb bin ich von seiner Leistung in Adelboden nicht überrascht. Solche Charaktereigenschaften machen den Siegläufer aus. Trotzdem ist Marc noch keiner - obwohl er jetzt gewonnen hat. Da ist ihm einfach alles aufgegangen.»
Berthod: «Etwas Glück war auch dabei»
Aber Berthod hat trotz des günstigen Verlaufs des Rennens den Sieg nicht «gestohlen». Benjamin Raich sagte anerkennend: «Marc hatte im ersten Lauf mit der Nummer 60 die schlechteren Bedingungen als wir als Letztgestartete im zweiten Lauf. Deshalb hat er hoch verdient gewonnen.»
Raich hatte den zweiten Lauf von Berthod am Fernsehen angeschaut und festgestellt: «Das war eine brillante Fahrt. Aber Marc ist mir schon früher aufgefallen. Ich habe noch nicht vergessen, dass bei meinem Olympiasieg in Sestriere er hinter mir im zweiten Lauf Zweitbester war. Jetzt ist einfach seine Zeit gekommen.»
Marc Berthods Erklärung für seinen Exploit ist ganz profan: «Ich hatte ja im Slalom nichts zu verlieren und konnte ohne grossen Druck drauflos fahren.» Immerhin hat er im ersten Lauf sein Temperament gedrosselt und damit bewiesen, dass er auch kontrolliert Slalom fahren kann.
«Auf dieser Piste blieb mir nichts anderes übrig, als zu versuchen, sicher ans Ziel zu kommen. Im zweiten Lauf, in dem ich voll gehen konnte, fühlte ich mich aber schon etwas wohler. Aber etwas Glück war auch dabei.» Das Glück des Tüchtigen.