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Curling: WM - Licht und Schatten im Schweizer Curling

Freitag, 11. April 2003 / 10:28 Uhr

Während die St. Galler um Skip Ralph Stöckli in Winnipeg auf einer Erfolgswelle reiten und am Wochenende - zuerst am Samstag im Halbfinal gegen Finnland - im Kampf um die Medaillen mittun, wird die WM für die Frauen um Skip Nicole Strausak in schlechter Erinnerung bleiben.

Skip Nicole Strausak hat Probleme mit dem Schweizer Verband.

Nachdem sie den Halbfinal-Platz schon nach acht Runden auf sicher hatten, siegten die Schweizer Männer mit 8:1 gegen Deutschland auch noch in der 9. und letzten Partie der Round Robin. Die Deutschen um den international noch wenig erfahrenen Skip Andreas Lang hatten nicht den Hauch einer Chance und gaben zum frühestmöglichen Zeitpunkt, nach sechs Ends, auf.

Mit nunmehr sechs Erfolgen hintereinander glückte den St. Gallern die gleich gute WM-Serie wie zuletzt vor neun Jahren dem Bieler Team von Markus Eggler. Eine noch längere Schweizer Siegesserie schaffte nur das legendäre Dübendorfer Attinger-Team, als es 1974 in Bern alle neun Partien der Vorrunde gewann, bevor es im Halbfinal am nachmaligen Weltmeister USA (Bud Somerville) scheiterte. Auch mit der Round-Robin-Gesamtbilanz von 7:2 Siegen können sich die Ostschweizer sehen lassen: Nebst den Attingers 1974 war nur Markus Eggler mit Biel-Touring 1994 (8:1 Siege) erfolgreicher. Den Wert von 7:2 hatten vor St. Galler Bär nur Olten (Adolf "Böbes" Aerni) 1976, wieder Dübendorf (Peter Attinger) 1979, Lausanne-Riviera (Jürg Tanner) 1980 und nochmals Dübendorf 1984 erreicht.

Die St. Galler, seit März gecoacht von Olympiasieger Patrick Hürlimann, spielten bislang in Winnipeg auf konstant hohem Niveau. Sie haben gute Aussichten, als neuntes Schweizer Männerteam seit 1964 einen WM-Final zu erreichen. Gegen Finnland, den Europameister des Jahres 2000, hatten die Schweizer in der Round Robin nur wegen eines mirakulösen letzten Steins des brillanten Skips Markku Uusipaavalniemi verloren. Der zweite Halbfinal zwischen Titelverteidiger Kanada mit Skip Randy Ferbey und Olympiasieger Norwegen mit Skip Pal Trulsen ist eine Revanche für den letztjährigen WM-Final in Bismarck.

Handfester Krach

Sehr frostig, ja sogar feindselig ist in Winnipeg die Stimmung zwischen den Vertretern von Swiss Curling und dem Berner Frauenteam. Verbandspräsident Christian Anderegg hält in aller Schärfe fest: "Dieses Team wird nie mehr für die Schweiz an einem internationalen Anlass spielen."

Der Streitpunkt ist Teamcoach Brian Gray. Der Schotte, Lebenspartner von Nicole Strausak, wurde von Swiss Curling für die WM seiner Funktion enthoben und kurzfristig durch den Bieler Curling-Ausbildner Pierre-Yves Grivel ersetzt. Das Schiedsgericht von Swiss Olympic unter der Leitung von Fritz Aebi sanktionierte die Massnahme.

Das Tuch zwischen Verband und Team ist zerschnitten, die Darstellungen der Hintergründe gehen diametral auseinander. Christian Anderegg wirft Gray in erster Linie vor, er habe Vertragsbruch begangen. So habe er sich geweigert, nach der EM in Grindelwald den vereinbarten Schlussbericht zu verfassen. Weiter habe er die Spielerin Anita Jäggi weggemobbt, obwohl klar abgemacht gewesen sei, dass das Team die WM in der Originalbesetzung bestreiten sollte.

"Eigentlich hätten wir mit Gray bereits im vergangenen Herbst Schluss machen sollen", so Anderegg weiter. Damals sei Brian Gray mit zum Teil nicht erfüllbaren Forderungen und Bedingungen an den Verband herangetreten. So habe er festzulegen versucht, welche Verbandspersonen an den Meisterschaften mit dem Team Kontakt haben dürften und welche nicht.

Schwerwiegend sind laut Christian Anderegg auch Verfehlungen von Gray, die bereits Jahre zurückliegen. An der WM 1999, der EM 1999 und der WM 2000 war Gray Coach von Luzia Ebnöthers Team, in welchem Nicole Strausak als Nummer 3 spielte. Tatsache ist, dass sich das Team im Unfrieden von Gray (und letztlich auch von Strausak) trennte und Ebnöther damals von einem irreparablen Zerwürfnis sprach. Heute liegen dem Verband laut Anderegg Zeugenaussagen und schriftliche Dokumente über gravierende Vorkommnisse aus jener Zeit vor.

Ganz anders lautet Nicole Strausaks Version. Sie spricht von Protektionismus und einer veritablen Kampagne gegen Brian Gray, die der Verband nur deshalb gestartet habe, weil es sich bei Anita Jäggi um die Gattin von Swiss-Curling-Sportchef Beat Jäggi handle. Gemäss Strausak hatten Gray und das Team Anita Jäggi bereits im Januar eröffnet, sie möchten mit ihr weiterfahren, könnten ihr aber keine feste Zahl von Einsätzen an der WM garantieren. Daraufhin habe sich Anita Jäggi vom Team abgekapselt. Schliesslich sei vom Verband die Retourkutsche - Grays Absetzung - gekommen. Swiss Curling habe danach alle möglichen, fragwürdigen Argumente zusammengesucht, um die Massnahme zu rechtfertigen.

Nicole Strausak ist entschlossen, für ihre Rechte zu kämpfen. "Das Team hält zusammen und stellt sich voll hinter Brian", sagt sie. Mit der WM-Teilnahme 2003 haben die Bernerinnen die ersten Bedingungen erfüllt, um in die "Swiss Olympic Trials" für die Olympischen Spiele 2006 in Turin zu gelangen.

Vorrunde (Round Robin). Männer. 9. Runde:
Schweiz (St. Galler Bär/Simon Strübin, Pascal Sieber, Claudio Pescia, Skip Ralph Stöckli) - Deutschland (Sebastian Schweizer, Jürgen Beck, Rainer Beiter, Skip Andreas Lang) 8:1.
Kanada (Randy Ferbey) - Südkorea (Lee Dong-Cheun) 7:3.
Norwegen (Pal Trulsen) - Finnland (Markku Uusipaavalniemi) 10:1.
Schweden (Per Carlsen) - USA (Pete Fenson) 8:6.
Dänemark (Ulrik Schmidt) - Schottland (Warwick Smith) 12:5.

Schlussrangliste (je 9 Spiele): 1. Kanada 16. 2. Finnland 14. 3. Schweiz 14. 4. Norwegen 12. 5. Schweden 10. 6. Dänemark 8. 7. Schottland 8. 8. USA 4. 9. Deutschland 2. 10. Südkorea 2.

Halbfinals (Samstag, 15.00 Uhr MEZ): Schweiz - Finnland, Kanada - Norwegen.

Frauen. Halbfinals (Samstag, 01.00 Uhr MEZ): Kanada - Norwegen, Schweden - USA. (Peter Lerch/Si)