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Darwins Massenmörder

Freitag, 13. April 2007 / 12:06 Uhr

Es geht ein Killer um, in den Spitälern der Welt. Er greift Patienten und Gesunde an und kostet sie die Gesundheit, die körperliche Integrität, ja das ...

Es geht ein Killer um, in den Spitälern der Welt. Er greift Patienten und Gesunde an und kostet sie die Gesundheit, die körperliche Integrität, ja das Leben. Der Killer, der umgeht, heisst Evolution und seine Waffe sind multiresistente Bakterien, gegen die zum Teil keine Antibiotika mehr wirken.

Dieses Phänomen, das droht, eine der wirksamsten Medikamente-Familien der Medizin obsolet zu machen, ist ein Musterbeispiel dafür, wie die Gesetze der Selektion, welche auch zum Menschen und der Stubenfliege geführt haben, auch heute noch an der Arbeit sind und unser aller Leben bedrohen, weil wir genau diese Gesetze sträflich missachtet haben.

Bevor das Penicillin von Alexander Flemming eher durch Zufall entdeckt worden war, war die Welt – medizinisch gesehen - wesentlich gefährlicher als heute. Einfache Infektionen waren lebensbedrohend, Blutvergiftungen führten vielfach ins Grab, ohne dass eine Möglichkeit der Behandlung bestand.

Dann kamen immer mehr Antibiotika, die gegen alle möglichen Keime wirkten, auf den Markt. Ein grosser Mörder der Menschheit schien besiegt zu sein und bereits im zweiten Weltkrieg überlebten tausende Verwundete nur wegen der neuen Medikamente.

Auch in der Tiermedizin hielten die Antibiotika Einzug, wurden meist sogar präventiv verabreicht oder als wachstumsfördernde Mittel. Und nur wenige Mahner in der Wüste wiesen darauf hin, dass hier eine Dummheit kolossalen Ausmasses begangen wurde, da es eigentlich klar war, dass die Bakterienstämme - auf Grund der evolutionären Gesetze der Auslese - früher oder später resistent gegen die neuen Medikamente sein würden.

Ein Antibiotikum greift ein Bakterium jeweils an einer bestimmten Stelle an. Die Moleküle des Wirkstoffes koppeln sich dabei an einem Ort ein, der bestimmte, wichtige Funktionen bei der Vermehrung des Bakteriums behindert und so die Infektion stoppt.

Dabei ist es entscheidend, dass die Moleküle des Medikamentes sich wie ein Schlüssel in jene des Bakteriums einpassen und auch an die entscheidenden Orte hinkommen können. Die Generationenfolge von Bakterien bewegt sich im Bereich von Stunden und Mutationen sind deshalb häufig. Sind Bakterien nun andauernd mit Antibiotika konfrontiert, werden diese zudem in zu niedrigen Dosen genommen und zu früh abgesetzt, oder gelangen in tiefen Konzentrationen durch die Nahrung in den Körper, verwandelt sich dieser in ein Trainingscamp für Bakterienstämme.

Die Theorie der Evolution sagt voraus, dass sich ein Lebewesen entweder dem Selektionsdruck anpasst oder ausstirbt. Da Bakterien überall - vom Meeresboden bis in die Stratosphäre - zu finden sind, war es nie anzunehmen, dass man sie ausrotten würde. Eine Resistenz war daher – genau der Vorhersage folgend - die Antwort. Vor allem, weil die Antibiotika für lange Zeit in einem Allmachtsrausch viel zu beliebig und nachlässig eingesetzt wurden.

Während 2005 drei Millionen Europäer an dieser Form der evolutionären Auslese erkrankten und 50'000 daran starben, bekämpfen christliche Fundamentalisten immer noch die Wissenschaft mit unbewiesenen Behauptungen und sogar der Papst mischt sich nun wieder mit einem Kommentar in die Debatte ein, in der er fordert, dass gewisse Fragen nicht gestellt werden sollten.

Genau das Nicht-Stellen dieser Fragen und die Weigerung die Relevanz der Evolution auch in unserem Alltag anzuerkennen, führte zu dieser Gesundheitskrise, die jedes Jahr bedrohlicher wird. Es ist zwar möglich, die Wahrheit durch Gebete zu übertönen. Doch Bakterien lassen sich davon nicht beeindrucken – für diese geistlosen Einzeller sind wir nichts anderes als ein Lebensraum, um den zu kämpfen es sich lohnt. Ob wir das nun glauben wollen, oder nicht. (von Patrik Etschmayer/news.ch)