TYPISCH SCHWEIZ
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Die Gilberte de Courgenay

Donnerstag, 24. März 2016 / 09:11 Uhr
aktualisiert: 10:52 Uhr

Ihr wurde nicht nur ein Lied, ein Roman und ein Theaterstück gewidmet sondern war auch Hauptfigur zweier Kriegs-Propagandafilme. Umso erstaunlicher, dass es sich bei Gilberte Montavon nicht um eine kämpferische Volksheldin handelt sondern um eine einfache Serviertochter.


Früher brauchte es noch keine Casting-Shows, keine Social-Media, keine Bühne sondern einfach einen Zapfhahn, um schweizweit berühmt zu werden. So passiert vor ziemlich genau hundert Jahren der damals knapp 20-jährigen Gilberte Montavon, die in der Bahnhof-Beiz ihrer Eltern in Courgenay servierte.

Soweit nichts Aussergewöhnliches, würde ausserhalb der Schweiz nicht der 1. Weltkrieg toben und die Armee unsere Grenzen schützen. Das grenznahe Courgenay war damals Truppenstützpunkt und das Hotel de la Gare quasi der Mittelpunkt der geistigen Landesverteidigung. Und mittendrin die junge Gilberte Montavon - einer Rose gleich daraus entwachsen. Der hübsche Serviertöff wurde zum Liebling der in der Ajoie stationierten Truppe.

Zwei Entlebucher Militärmusiker komponierten im Kriegswinter 1915/1916 jenes Lied, das die 20-Jährige landesweit berühmt machen sollte. «Gilberte de Courgenay» verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Land und wurde schon bald zum gesamtschweizerischen Folklore-Song.

Im 2. Weltkrieg stand die Figur der «Gilberte de Courgenay» erneut im Zentrum der geistigen Landesverteidigung. 1939 erschien ein Roman und Theaterstück, der das Fräulein zur Hauptfigur hatte. 1941 entstanden zwei Propagandafilme über sie, am bekanntesten natürlich Franz Schnyders Film «Gilberte de Courgenay».

Damit hatte natürlich die echte Gilberte Montavon nichts zu tun. Im richtigen Leben zog Gilberte nach ihrer Hochzeit von Courgenay nach Zürich, wo sie 1957 an Krebs starb. Sie liegt auf dem Friedhof Nordheim in Zürich begraben.

Am 20. März wäre die Helvetia des 20. Jahrhunderts 120 Jahre alt geworden.
(jz/news.ch)