Der Kremlchef wirbt intensiv für eine engere Verflechtung russischer Unternehmen mit dem EU-Wirtschaftsraum.
Dass noch viel Arbeit vor ihm liegt, musste Putin in den vergangenen Wochen erfahren. Panikartige Reaktionen wie zuletzt beim britischen Energieversorger Centrica und beim Luft- und Raumfahrtkonzern EADS zeigen, wie wenig Vertrauen russische Unternehmen als Investoren bislang in Europa geniessen.
Zum Träumen
Milliardengewinne aus dem Öl- und Gasgeschäft verschaffen der russischen Wirtschaft Wachstumszahlen, von denen die Europäer nur träumen können. Das Investitionsgeschäft zwischen der EU und Russland ist längst keine Einbahnstrasse mehr.
Der weltgrösste Gasförderer Gasprom hält eine Vielzahl an Beteiligungen in der EU. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Konzernchef Alexej Miller nicht über neue Kooperationen verhandelt.
Zuletzt wurde die niederländische Gasunie mit in das Ostsee-Pipeline-Projekt geholt und eine engere Zusammenarbeit mit dem italienischen Gaskonzern Enel vereinbart.
«Eine engere Kooperation Russlands und Europas auf dem Gebiet der Luft- und Raumfahrt ist ein Gebot der Zeit», kommentierte die staatliche Nachrichtenagentur RIA-Nowosti die Minderheitsbeteiligung.
Mehr als nur Atom- und Rohstoffmacht
Der hohe Kreml-Beamte Wladislaw Surkow sieht die milliardenschweren Industriellen seines Landes geradezu in der Pflicht, sich in der Ferne zu engagieren. Russland will mehr sein als nur Atom- und Rohstoffmacht.
«Wir müssen das Ziel haben, uns in die Weltwirtschaft zu integrieren, indem wir uns an neuen multinationalen Korporationen beteiligen», forderte Putins Chefideologe. Hoffnung setzen die Russen dabei auf die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Anfang 2007.
Auf dem Papier hegt auch die EU-Kommission grosse Pläne bei der wirtschaftlichen Verbindung mit Russland. Von einer gemeinsamen Freihandelszone mit dem Riesenreich ist die Rede. Putin wäre es lieb, wenn im Gleichschritt auch noch die Einreisebeschränkungen fallen würden.
WTO-Beitritt
Brüssel macht die Schritte zur wirtschaftlichen Verflechtung mit Russland vom WTO-Beitritt Russlands abhängig. Der ist aber in weite Ferne gerückt, seit die USA im Sommer vor dem Hintergrund eines zunehmenden politischen Zwists mit Moskau überraschend ihre Zustimmung verweigerten.
Beim Dreiertreffen mit Frankreich und Deutschland im September bei Paris zeigte sich Putin flexibel. Das Gas aus dem entlegenen Stockmann-Feld, das eigentlich für die USA vorgesehen war, könne die wachsende Nachfrage in Europa befriedigen, bot der Kremlchef an.
Das Feld in der Barentssee nördlich des Polarkreises werde Gas für die nächsten 50 bis 70 Jahre liefern. «Es wird eine absolut stabile Lage in Europas Wirtschaft und Energiepolitik herstellen, besonders in Deutschland», köderte Putin seine europäischen Partner.