Schon zweimal trug er mit Stolz bei der Eröffnungszeremonie die Schweizer Fahne. Doch ausgerechnet ihn wies Olympia immer wieder ab -- bis zum 16. August 2008, zwei Tage vor der Entthronung als Weltnummer 1 nach 235 Wochen langer Herrschaft.
Sydney 2000: Verpasste Bronze-Chance, dafür Mirka
Roger Federer, vor einem Monat 19 geworden, reist als einziger Schweizer Tennisspieler nach Sydney. Man schreibt seinen Namen zuweilen noch mit «Rodscher», weil nicht überall geläufig ist, dass er sich nicht «Roschee» nennt. Marc Rosset, der Olympiasieger von Barcelona, sagt Sydney kurzristig ab. Federer kann deshalb nur Einzel spielen.
Die Nr. 36 der Welt gewinnt der Reihe nach gegen David Prinosil, Karol Kucera, Mikael Tillström und den Marokaner Karim Alami, der als einziger minim besser klassiert ist, und steht ohne Satzverlust im Halbfinal. Er ist von Olympia begeistert: «Es ist eine stressige, aber tolle Zeit. Olympische Spiele könnten von mir aus jedes Jahr stattfinden.»
Coach Peter Lundgren sagt: «Olympia. Das ist Roger. Er ist ein absoluter Teamspieler.» Er kann aber nicht verhindern, dass Federer im Halbfinal einen schlechten Tag erwischt und gegen den 26 Ränge hinter ihm klassierten Tommy Haas 2:6, 3:6 verliert. Federer: «Ich habe immer noch Chancen auf eine Medaille und wäre stolz, diese für die Schweiz zu gewinnen.»
Statt jüngster Medaillengewinner zu werden, verliert Roger Federer das Bronze-Spiel gegen den Franzosen Arnaud di Pasquale 6:7 (5:7), 7:6 (9:7), 3:6 und meint enttäuscht: «Dieses Spiel hätte ich nie verlieren dürfen. Ich hätte mir so gewünscht, auf dem Podest zu stehen. Die 14 Tage in Sydney waren trotzdem grossartig.» Vor allem der letzte Tag: Er und Mirka Vavrinec, die 1:6, 1:6 gegen Jelena Dementjeva verloren hatte, kommen sich näher.
Athen 2004: 59 Eigenfehler gegen Nr. 74
Roger Federer ist mittlerweile die Nummer 1 der Welt und zweifacher Wimbledonsieger. Er weist eine Saisonbilanz von 58:5 auf. So gut war seit Ivan Lendl 1989 keiner mehr.
Für das Doppel ist er mit seinem Jugendfreund Yves Allegro eingeschrieben. Es wird hochgerechnet: Er müsste in 8 Tagen 11 Spiele absolvieren, um zweimal Olympiasieger zu werden. In der 2. Runde trifft er auf den 19-jährigen Tomas Berdych, Nr. 74 und noch ein Nobody. Federer findet den Rhythmus nicht und begeht 59 unerzwungene Fehler. Den ersten Satz gewinnt er mit 6:4. Dann wird Berdych immer stärker und siegt zweimal mit 7:5, im Entscheidungssatz nach drei Doppelfehlern von Federer. Zuvor hatte er vier Breakbälle vergeben.
Federers Selbstkritik: «Ich weiss gar nicht, wo ich beginnen soll. Ich war unzufrieden mit dem Aufschlag, der Vorhand, der Rückhand und der Beinarbeit. Es war ein schrecklicher Tag für mich. Schade nur, dass das bei den Olympischen Spielen passierte.» Dreieinhalb Stunden später ist nach einem 2:6, 6:7 (7:9) gegen Mahash Bhupathi/Leader Paes (Ind) und zwei Aufschlag-Verlusten von Allegro auch das Doppel-Abenteuer zu Ende. «Ich bin traurig. Jetzt muss ich wieder vier Jahre warten. Die Enttäuschung ist riesig.»
2008 Peking: Zwei Revanchen und Team-Gold
Inzwischen ist Federer vierfacher «Weltsportler des Jahres» und 12-facher Grand-Slam-Sieger. Finalniederlagen in Paris und Wimbledon gegen Rafael Nadal sowie frühe Outs in Toronto und Cincinnati haben ihn in die Defensive gebracht. Peking sollte die Saison veredeln, die gemäss Federer «nicht so schlecht war und immer noch sehr gut werden kann».
Im Doppel tauscht Federer seinen Freund Yves Allegro gegen Stanislas Wawrinka aus. Mit diesem gelingt ihm die Revanche gegen Bhupathi/Paes für die Niederlage in Athen, und auch die Olympia-Bilanz mit Tomas Berdych, mittlerweile ein Weltklassespieler, bringt er wieder ins Lot. Unerwartet ist im Einzel James Blake, gegen den er in acht Spielen erst einen Satz abgegeben hat, Endstation -- ein weiteres olympisches Frusterlebnis.
Federer lässt sich kaum etwas anmerken, konzentriert sich aufs Doppel und landet in einer auf der ATP-Tour randständigen Diszplin den grossen Coup: Gold mit Stan Wawrinka. Federer ist gerührt und kann nur mit Mühe die Tränen unterdrücken. Olympia und «Teamplayer» Roger Federer haben sich gefunden -- bezeichnenderweise in einem Teamwettbewerb.