EURO 2008-HINTERGRUND
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Fussball: Erwartungsdruck auf Beckham und Co.

Freitag, 4. Juni 2004 / 14:38 Uhr

Im Mutterland des Fussballs herrscht grenzenloser Optimismus. Obwohl der einzige Titel, die WM-Krone 1966, 38 Jahre zurückliegt, wird in den Pubs in England nur darüber diskutiert, wer EM-Finalgegner der "Three Lions" sein könnte.

Englands Erfolg steht und fällt mit David Beckham.

Dass das Team des schwedischen Selektionärs Sven-Göran Erkisson die Vorrunde in der Gruppe B übersteht und nicht wie vor vier Jahren nach drei Spielen heimfahren muss, erachten die Engländer als Normalität und Pflicht.

"Natürlich gehen wir davon aus, dass wir weiterkommen", sagt Eriksson, "allerdings hätte ich Frankreich nicht schon im Startspiel, sondern lieber erst im Final getroffen."

Vor den zwei anderen Gegnern warnt der Schwede pflichtbewusst: Kroatien, von England erst im vergangenen August 3:1 besiegt, sei "eine gute Mannschaft", auch die Schweiz, der zweite Gruppengegner am 17. Juni in Coimbra, sei nicht zu unterschätzen.

Allzu weit ist England bei seinen bisherigen sechs EM-Teilnahmen nicht gekommen. Zwei dritte Plätze (1968 in Italien und 1996 im eigenen Land nach der unglücklichen Halbfinal-Niederlage gegen den nachmaligen Europameister Deutschland im Penaltyschiessen) zieren neben dem WM-Titel 1966 und dem WM-Halbfinal 1990 in Italien das Palmarès.

Die Erinnerung an 1996

Bei der EURO 1996 trennte sich England von der Schweiz im Eröffnungsspiel im Wembley in London 1:1. Kubilay Türkyilmaz glich mit einem Handspenalty sieben Minuten vor Schluss Englands Führung durch Goalgetter Alan Shearer aus, den Eriksson nicht in sein Kader berufen hat.

Sechs Jahre später scheiterte England in Belgien und Holland in der gleichen Gruppe wie Deutschland vorzeitig und jämmerlich.

Seit Eriksson im Amt ist, gehts aber kontinuierlich vorwärts. Nach anfänglichen Widerständen wird der Schwede geachtet. Das Ausscheiden im WM-Viertelfinal in Japan gegen Weltmeister Brasilien erfolgte ehrenhaft.

In der Qualifikation unbesiegt

Die aktuelle englische Mannschaft gilt als die beste seit der WM 1990 in Italien und wird als entwicklungsfähig eingestuft; ihren Zenit hat sie noch nicht erreicht. Das Team steht und fällt mit Superstar David Beckham, dessen Leistungen in der Nationalmannschaft regelmässig besser sind als im Klub.

Seine Position im Team und in der Öffentlichkeit ist unumstritten, zumal er fünf Treffer in sieben EM-Qualifikationsspielen erzielte. Die Ausscheidung überstand England als Gruppensieger ungeschlagen. Gegen den WM-Dritten Türkei resultierte ein 2:0 in Sunderland und ein 0:0 in Istanbul.

Doch seit der EM-Ausscheidung haben die Engländer, die sich auf Sardinien vorbereiteten, nie mehr gewonnen. Dem 1:1 in Portugal stehen Niederlagen gegen Dänemark (2:3 im Old Trafford) und in Schweden (0:1) gegenüber.

Probleme in der Abwehr

Die Abhängigkeit von Beckham ist allerdings nicht das einzige Problem. Schmerzlich vermisst werden in der Abwehr der verletzte Gareth Southgate, der den entscheidenden Penalty 1996 m Halbfinal verschoss, und der gesperrte Rio Ferdinand.

Der Innenverteidiger von Manchester United ist nach einem "verbummelten" Doping-Test im vergangenen September für acht Monate gesperrt worden. Seine Nationalmannschafts-Kollegen waren deswegen über den Verband (FA) so erbost, dass sie sogar mit einem Boykott des entscheidenden Spiels in der Türkei gedroht hatten.

Tradition hat in der englischen Nationalmannschaft auch das Torhüter-Problem. Eriksson hat sich nach dem Abschied von David Seaman auf David James festgelegt, doch auch der Schlussmann von Manchester City gilt als Unsicherheitsfaktor.

Der 33-Jährige hat Schwierigkeiten bei hohen Bällen und Flanken. Sein Spitzname ist bezeichnend: "Calamity James" ("Katastrophen-James"). Darüber hinaus ist es Eriksson bislang nicht gelungen, mehr als Notlösungen für die linke Aussenbahn zu finden.

(von Peter Wyrsch/Si)