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Milosevic stellte sich nach Nervenkrieg den Behörden

Sonntag, 1. April 2001 / 07:05 Uhr

Belgrad - Nach mehr als eintägiger Belagerung durch die Polizei hat sich der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic den Behörden ergeben.

Milosevic stellte sich am frühen Sonntagmorgen der Justiz, wie eine Sprecherin der serbischen Regierung bestätigte. Er habe sich «ohne Blutvergiessen und ohne den geringsten Widerstand in seiner Belgrader Villa festnehmen lassen», teilte das Innenministerium mit.

Der Ex-Präsident verliess seine Residenz gegen 04.40 Uhr morgens in einer von Polizeiautos eskortierten Limousine. Laut der Nachrichtenagentur Beta wurde er direkt ins Gefängnis gebracht. Kurz vor der Abfahrt waren aus der Richtung der Milosevic-Villa fünf Schüsse zu hören. Die Hintergründe der Schiesserei waren zunächst unklar. In der Nacht hatte es lange Verhandlungen um eine friedliche Lösung der Krise gegeben. Ein erster Versuch zur Festnahme war in der Nacht zum Samstag am Widerstand von Milosevics Leibwächtern und Getreuen gescheitert. Seitdem hielt sich der Ex-Staatschef mit bewaffneten Anhängern verschanzt. Er wurde unter Hausarrest gestellt.

Milosevic werden Machtmissbrauch und Korruption vorgeworfen. Er soll nicht an das UNO-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag ausliefert werden, sondern sich in Jugoslawien vor Gericht verantworten.

Staatschef Vojislav Kostunica hatte am Samstagabend im Anschluss an eine Krisensitzung mit der jugoslawischen und serbischen Führungsspitze betont, niemand dürfe in Jugoslawien unantastbar sein. Nachdem ein Blutvergiessen beim Volksaufstand Angang Oktober gegen Milosevic verhindert worden sei, «werden wir uns keine neue Staatskrise wegen wem auch immer leisten».

Am Samstagmittag hatten etwa 200 Anhänger Milosevics die Polizeiabsperrung um dessen Villa zeitweise durchbrochen. Die Milosevic-Getreuen sprengten zwei Absperrungsringe und versammelten sich vor dem Haupttor der Residenz. Sie kündigten an, sich mit allen Mitteln gegen eine Festnahme des mutmasslichen Kriegsverbrechers zu wehren. Bis zum Abend konnten sie von der Polizei jedoch abgedrängt werden. Das UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien fordert die Auslieferung von Milosevic und vier seiner früheren engsten Vertrauten wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Kosovo- Krieg. Die USA hatten Wirtschaftshilfen in Höhe von hundert Millionen Dollar für die Regierung in Belgrad an die Zusammenarbeit Jugoslawiens mit dem UNO-Tribunal geknüpft und für die Erfüllung dieser Forderung eine Frist bis zum Samstag gesetzt. Milosevic war im vergangenen Oktober gestürzt und von einer westlich orientierten Regierung abgelöst worden.
(sda)


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