Schäuble oder der entzauberte Kronprinz Mittwoch, 16. Februar 2000 / 15:32 Uhr aktualisiert: 15:56 Uhr
Berlin - Der bisherige Chef der deutschen
Christdemokraten, Wolfgang Schäuble, war lange ein enger
politischer Weggefährte des früheren Parteivorsitzenden Helmut
Kohl.
Porträt von Norbert Hoyer
In die 25 Jahre, die Kohl die grosse konservative Volkspartei
Deutschlands führte, und in die 16 Jahre, die Kohl deutscher
Bundeskanzler war, fielen auch die wichtigsten politischen
Stationen der Karriere Schäubles. Er war dabei länger, als ihm lieb
war, dessen «Kronprinz».
Der 57-jährige Schäuble hat vor kurzem noch einmal betont, dass
er mit Kohl «sehr eng und vertrauensvoll zusammen gearbeitet» habe.
Er sei immer loyal gewesen, doch Freunde seien sie nicht gewesen:
«Freundschaft über die politische Zusammenarbeit hinaus, dafür ist
unsere Lebenssituation zu unterschiedlich gewesen.»
Bruch mit Kohl wegen Spenden
Das Eingeständnis von Kohl, zwischen 1993 und 1998 illegale
Spenden von bis zu zwei Millionen Mark angenommen zu haben, und das
Bekanntwerden weiterer ungesetzlicher finanzieller Transaktionen
führten dann zum Bruch. Vergebens hatte Schäuble Kohl gedrängt, die
anonymen Spender trotz eines Ehrenwortes zu nennen. Er würdigte
aber dennoch Kohls Leistungen als Parteichef und Kanzler.
Schäuble geriet dann selbst wegen einer zunächst im Parlament
verschwiegenen Barspende des Waffenhändlers Karlheinz Schreiber
immer mehr in die Schusslinie. Am 18. Januar war er schon einmal
zum Rücktritt entschlossen, liess sich dann aber nach seinen
Angaben von der CDU-Führung zum Weitermachen überreden.
Die Führung der Partei sei der Ansicht gewesen, dass er «weiter
die Last tragen» solle, sagte Schäuble am letzten Sonntag in einem
Interview des Berliner «Tagesspiegel». «Das ist die Last: ein
Prozess der Offenlegung, der Konsequenzen, des Abstellens von
Fehlern über das Finanzielle hinaus, der Öffnung von Debatten und
des Versuchs, das bürgerliche Lager zusammenzuhalten.»
Mangelndes Krisenmanagement vorgeworfen
Mangelndes Krisenmanagement wurde jedoch dem Juristen Schäuble
in den eigenen Reihen immer mehr angelastet, zumal es wegen der
Details der Übergabe und Weiterleitung der Spende des
Waffenhändlers Schreiber von 100 000 Mark aus dem Jahre 1994 zu
einem Clinch mit der damaligen Schatzmeisterin Brigitte Baumeister
kam.
Schliesslich stand Wort gegen Wort - beide legten sich in
eidesstattlichen Erklärungen fest. Die Parlamentsfraktion der Union
wollte jedoch am Dienstag diesen Streit um die Wahrheit nicht mehr
schlichten.
Seit November 1991 hatte Schäuble die Fraktion geleitet. Gut ein
Jahr zuvor hatten ihn die Folgen eines Attentats in den Rollstuhl
gezwungen. Mit viel persönlicher Energie schaffte er es aber, dass
er trotz dieser Behinderung weiter als «Kronprinz» Kohls galt.
Kohl holt Schäuble in Fraktionsführung
Der damalige CDU-Chef hatte den aus Freiburg im Breisgau
stammenden Protestanten schon 1981 in die Fraktionsführung geholt.
1984 wurde er unter Kohl Kanzleramtsminister, fünf Jahre später
Innenminister. Schäuble wurde in diesem Amt zum wichtigsten
Verfasser des Vertrages, mit dem 1990 die deutsche
Wiedervereinigung besiegelt wurde.
Dass ihn manches in seinen Ämtern hart ankam, versuchte Schäuble
immer nach Möglichkeit zu verbergen. Allenfalls reagierte er mit
Sarkasmus und scharfer Ironie. Als «Kopfmensch» galt er vielen -als
einer, der nicht Entscheidungen «aus dem Bauch» heraus fällt.
«Eine Partei ist keine Schönwetter-Veranstaltung», hat Schäuble
einmal in den letzten Wochen hervorgehoben. Bis jetzt hatte er im
April beim nächsten Parteitag der CDU trotz aller Probleme wieder
für das Amt des Parteichefs kandidieren wollen.
(sda)
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