Der Berliner Künstler Aram Bartholl hat die virtuelle Welt in einer ganzen Strasse für eine Woche real nachgebaut. Sein Projekt ist Teil des Medienkunst-Festivals «Ars Electronica», das am Mittwochabend in der oberösterreichischen Stadt eröffnet wurde.
Unter dem Motto «Goodbye Privacy» beschäftigen sich Künstler und Wissenschafter bei dem Festival bis zum 11. September mit der zunehmenden Überwachung in der Gesellschaft und dem gleichzeitigen freiwilligen Exhibitionismus im Internet.
«Für mich ist Second Life ein guter Spiegel der Gesellschaft», sagt Bartholl. Wie in der Realität geht es in dem Internetspiel hauptsächlich um Konsum, Status, gutes Aussehen und Erfolg.
Künstliche Welt kopieren
Bisher habe jedoch nur die reale Welt die virtuelle beeinflusst. Statt sie neu zu erfinden, hätten Menschen meist die Realität kopiert: «Ein Nutzer kommt in eine virtuelle Welt, in der alles möglich ist - und als erstes baut er sich ein Haus und kauft sich ein Auto.»
Mit seinem Projekt in Linz lässt er dagegen echte Menschen eine künstliche Welt kopieren. Dabei interessieren Bartholl besonders die Momente, in denen das Zweite Leben anders ist als das Erste. «Ich versuche Realitäten zu brechen», sagt er.
In der Marienstrasse in Linz ist jeder Laden auf die Bedürfnisse der Second Life Avatare ausgerichtet. In einem Geschäft können die Kunden sich die Haare so schneiden lassen wie ihr künstliches Ich, in einem anderen können sie sich ihren Namen ausschneiden und per Haarreifen auf den Kopf montieren.
Reale Sprechblasen
Zwei Techniker laufen Besuchern hinterher und halten ihnen ein Display über den Kopf, über eine Tastatur sollen sie ihre Unterhaltung notieren, die dann von allen mitverfolgt werden kann.
«In Chats und Second Life sind diese Sprechblasen über den Köpfen normal, in der Realität wirft das natürlich Fragen nach Datenschutz und Privatsphäre auf», sagt Bartholl.
Pillen und Fitnessshakes türmen sich in der Auslage des Ladens von Joachim Stein. Er berät die Festival-Besucher, was sie tun müssen, um so auszusehen wir die Avatare von Second Life, die meist durch überperfekte Körper auffallen.
In seinen Handlungsanweisungen schreckt der Künstler auch vor Geschlechtsumwandlungen, plastischer Chirurgie und illegalen Substanzen nicht zurück, damit die Nutzer auch wirklich die digital erwünschte Körbchengrösse oder Muskelmasse erreichen.
Verdoppelter Strand
Auf dem Linzer Pfarrplatz treffen dann virtuelle und reale Welt endgültig aufeinander: den dort aufgeschütteten Strand mit Liegestühlen gibt es zeitgleich in der Internet-Erlebniswelt.
Über ein komplexes Soundsystem hören die echten Besucher, wo die Internet-Gäste gerade gehen und stehen. Und wenn ein Avatar im virtuellen Pfarrplatz in das Wasserbecken schlägt, spritzen Düsen die echten Besucher in ihren Liegestühlen nass.