Spannungen im Balkan auf dem Siedepunkt Freitag, 10. März 2000 / 19:24 Uhr
Pristina/Belgrad/Moskau - Gewalt und politische
Drohgebärden an den Brennpunkten im früheren Jugoslawien nähren
Befürchtungen eines neuen Konflikts. Die Friedenstruppe KFOR im
Kosovo verstärkte ihre Sicherheitsmassnahmen an der
Verwaltungsgrenze zu Serbien.
Dort kommt es zu immer neuen Zwischenfällen. Angesichts
wachsender Spannungen zwischen den Teilrepubliken Serbien und
Montenegro rief Moskau am Freitag beide Seiten zur Suche nach einer
Konfliktlösung auf.
«Die Tendenz zur Trennung der beiden (Teilrepubliken) ist leider
immer stärker zu spüren», zitierte die Agentur Itar-Tass aus einer
offiziellen Mitteilung des Aussenministeriums in Moskau. Die
jugoslawische Armeeführung wies Berichte über eine Mobilmachung und
einen Truppenaufmarsch im Süden zurück.
Montenegro bereitet seine Staatsorgane und die Öffentlichkeit
auf den Ausbruch einer möglichen neuen Krise vor. Das sagte der
Präsident Montenegros, Milo Djukanovic, am Freitag nach einem
Treffen mit dem EU-Kommissar für Aussenpolitik, Chris Patten, in
der montenegrinischen Hauptstadt Podgorica, wie die Belgrader
Nachrichtenagentur Beta meldete.
In Gnjilane im Osten des Kosovo äusserte KFOR-Kommandant General
Klaus Reinhardt am Freitag besorgt über bewaffnete Zwischenfälle im
Presevo-Tal hinter der östlichen Verwaltungsgrenze zu Serbien. Dort
kommt es wiederholt zu Schiessereien zwischen Albanern und
serbischen Polizisten.
Der Einsatz im Kosovo wird nach Angaben des NATO-
Generalsekretärs George Robertson auf unbestimmte Zeit weiter
gehen. US-Aussenministerin Madeleine Albright sprach sich in
Brüssel für eine Verstärkung der im Kosovo stationierten Truppen
aus.
Wegen der Spannungen an der Grenzlinie zwischen der Provinz
Kosovo und den Regionen im Süden Serbiens sind in den vergangenen
Tagen mindestens 800 Albaner geflüchtet. Dies gab das UNO-
Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) am Freitag in Pristina bekannt.
Die muslimische Minderheit in der zwischen Serbien und
Montenegro geteilten Region Sandzak bereitet sich wegen der
andauernden Krise zu Ausreisen vor. Das sagte Fevzija Muric,
Abgeordneter im serbischen Parlament.
Die serbischen Behörden haben in dieser Woche 23 Kosovo-Albaner
aus der Haft entlassen und dem Internationalen Komitee vom Roten
Krteuz (IKRK) übergeben, wie ein IKRK-Sprecher in Genf bestätigte.
Im Kosovo gibt es nach Angaben des IKRK rund 3000 Verschwundene.
Warnung vor schneller Rückführung
Die Ausländerbeauftragte der Deutschen Regierung, Marieluise
Beck, warnte davor, die Kosovo-Flüchtlinge zu schnell in ihre
Heimat zurückzuschicken. Nach einer Informationsreise verwies Beck
am Freitag in Berlin auf die unsichere Lage im Kosovo und
zehntausende fehlende Unterkünfte. In einer ersten Reaktion hielt
die deutsche Regierung an einer schnelle Rückführung fest.
(sda)
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