So. Jetzt haben wir also wieder einen Sportskandal. Diesmal ist es wieder der Fussball, der für negative Schlagzeilen sorgt. Dass vor allem untere Ligen von dem Skandal betroffen zu sein scheinen, ist nur ein kleiner Trost. Denn dies liegt nicht daran, dass die Spieler der oberen Ligen an sich ehrlicher währen, sondern, dass es bei diesen einfach viel teurer ist, erfolgreich zu bestechen und sie auch ein wesentlich grösseres Verlustrisiko eingehen, wenn sie erwischt werden.
Und da bei diesen Wettskandalen nach wirtschaftlichen Prinzipien gehandelt wird – es soll eine grösstmögliche Gewinnmarge erreicht werden – ist es nur logisch, dass hier Regionalligen und Provinzclubs ins Visier genommen wurden: Mässiger Einsatz, saumässiger Gewinn sind der Wunschtraum von jedem, der schnelles Geld machen will.
Wie bei jedem Sportbetrug sind auch hier wieder die Fans die Blöden. Und speziell in der Provinz sind die Fussballclubs ein integrativer Bestandteil des Gemeindelebens. Ein Skandal wie dieser kann in den betroffenen Ortschaften noch viel mehr als nur den Spass am Sport zerstören.
Doch nicht nur der Fussball hat Probleme. In den letzten Jahren ist fast jede Profisportart irgendwann durch Skandale erschüttert worden: Ob Handball, Fussball, Radfahren, Skifahren, Leichtathletik, Baseball oder American Football: Doping, Korruption oder beides machen das Zuschauen zum Ratespiel: Ist das nun Sport oder B'schiss?
Der Höhepunkt im Sport-Betrügerlis in diesem Jahr wurde allerdings geliefert, als sich herausstellte, dass Nelson Piquet junior auf Anweisungen seines Teamchefs Flavio Briatore 2008 am Grand Prix in Singapur einen Unfall verursacht hat, um seinem Teamkollegen Fernando Alonso mit der so erzwungenen Pace-Car-Phase den Sieg zu bescheren. Dass dies erst raus kam, als Piquet wegen notorischer Erfolglosigkeit aus dem Renault-Team geschmissen wurde und der aus Rache seinen Teamchef verpatzte, lässt keinen der Beteiligten in irgend einer Weise gut aussehen.
Auch nicht die Sportjustitz: Die Tatsache, dass das fehlbare Team mit einer bedingten Strafe und dem Bauernopfer des ohnehin untragbar gewordenen Briatore davon kam, liess einen daran zweifeln, ob im Automobil-Weltverband Rechtsprechung irgendwas mit Recht zu tun hat. Ein lebensgefährlicher Unfall (was herum fliegende Trümmerteile anrichten können zeigte sich ja beim GP von Ungarn, als Felipe Massa beinahe von einer Feder erschlagen wurde), ein geklauter Sieg und es wird lediglich kurz auf die Finger geklopft.
Diese Sportjustiz ist offensichtlich ein Kernproblem. Diese rechtliche Selbstverwaltung der verschiedenen Sportverbände kommt aus einer Zeit, als noch die Illusion herrschte (oder es tatsächlich noch so war), dass das, was im Rahmen von in Verbänden organisiertem Sport passiert, ausserhalb der Spielfelder, Rennstrecken und Stadien keinen Einfluss hat und umgekehrt. Diese Illusion der sportlichen Paralleluniversen ist zwar sehr schön, hat in der Zeit des Profisportes, in welcher der Begriff «Gentlemen's Agreement» in etwas so lebendig wie ein Dodo ist, nichts mehr zu suchen. Ehre und Anstand sind angeblichen oder echten «Sachzwängen» und «Realitäten» gewichen. Der legendäre Sportsgeist, naja, den kann man, so hat man mitunter das Gefühl, bestenfalls noch im Olympischen Museum in Lausanne besichtigen.
Verbandsgerichte und -urteile sind im Vergleich zu den möglichen Gewinnen einfach nicht hart genug. Immerhin: im Wettskandal wirkt nun die echte Justiz, da hier die organisierte Kriminalität ihre Finger drin hat. Aber ansonsten wird im Profisport vielfach immer noch verfahren, als würde es sich um Kleinigkeiten handeln: Mit Ausnahme von Frankreich droht zum Beispiel Doping-Betrügern praktisch nirgends Gefängnis oder eine Vorstrafe. Dieser Verbandsgerichts-Schlendrian ist auch für unschuldig verdächtigte Sportler von Nachteil, denen so kein ordentliches Verfahren zur Verfügung steht.
Die immer häufigeren Sportskandale zeigen so ein ernüchterndes Bild von dem Bereich der Gesellschaft, der immer noch als eine Schule fürs Leben gelobt wird, wo Jugendlichen wertvolle Lektionen beigebracht würden. Momentan vergeht einem aber die Lust, seinen Nachwuchs in diesem Umfeld lernen zu lassen – ausser man findet, dass Korruption und Beschiss grundlegende Kompetenzen sind, die es zum erfolgreichen Bestehen in der heutigen Gesellschaft braucht...