Vorjahressieger Roman Schweizer musste sich nach zwei Stürzen am Pauschenpferd (7,65) und am Reck (8,35) mit dem 4. Platz begnügen. "Niki hat verdient den Titel gewonnen", zollte der Top-Favorit seinem Nachfolger Anerkennung: "Gerne hätte ich ihm einen härteren Kampf geliefert". Schweizer I, der im Frühling einen Fersenbruch erlitten hatte, fand auch in den Gerätefinals seine Bestform nicht und musste ohne Titel die Heimreise antreten.
Böschenstein gilt seit Jahren als grosses Talent. Im letzten Jahr führte er die Turn-Titanen zusammen mit Patrick Dominguez und Marc Ramseier in Patras zur sensationellen Silbermedaille an den Junioren-Europameisterschaften. Dass er aber jetzt schon Meister und den Kampf gegen die Gebrüder Schweizer so souverän für sich entscheiden würde, bildete doch eine ziemliche Überraschung. "Ich habe alles meinen Eltern zu verdanken, die mich schon als Fünfjährigen zum Turnen gebracht und sicher 1000 Mal zu den Trainings gefahren haben", erklärte er das Geheimnis seiner unschweizerisch steilen Karriere. "Und dann hatte ich auf jeder Stufe hervorragende Trainer, die es verdient haben, mit Namen genannt zu werden: Clemenz Zeller, Sepp Thomann, Gerhard Falkenstein und jetzt Sandor Kiraly."
Triumph gleich bei der ersten SM
Für Böschenstein war dies die erste Meisterschaftsteilnahme überhaupt: "Entweder war ich jeweils verletzt oder vertraten meine Trainer die Ansicht, ich wäre noch zu jung". Vor allem die letzte Saison nach dem EM-Exploit verlief schwierig. Noch in Patras zog er sich einen Bänderiss im Fuss zu. Danach fehlte er bei allen wichtigen Wettkämpfen, so auch beim Eidg. Turnfest. "Es dauerte sehr lange, bis ich diese Verletzung überwunden hatte", sagt Böschenstein, "und auch heuer lief es mir nicht nach Wunsch. Ich war sooo schlecht, stürzte manchmal in einem einzigen Wettkampf vier, fünf Mal."
Deshalb schickte ihn Nationalcoach Peter Kotzurek vor einer Woche für ein paar Tage zurück zu seinem einstigen Regionalzentrumstrainer Gerhard Falkenstein. "Und plötzlich liefs wieder", staunte Böschenstein. Beim früheren Drillmeister fand er wieder das Vertrauen: "Der hatte mich früher derart geschunden, dass ich manchmal dachte: Der ist ein A... Doch es war der richtige Weg. Wir hatten trotzdem immer ein ausgezeichnetes Verhältnis."
Gute Nachwuchsleute - und ein rüstiger Senior
Neben Böschenstein, der mit konstanten Noten zwischen 8,80 und 9,20 das hohe Total von 53,85 erreichte, überzeugten noch weitere Junioren. Mark Ramseier (19) meldete mit seinem 3. Platz seine Ambitionen auf eine WM-Teilnahme an, ohne einen Sturz im abschliessenden Reckturnen hätte er wahrscheinlich sogar die Silbermedaille errungen. Und mit dem erst 17-jährigen Claudio Capelli wurde ein weiterer Nachwuchsmann hervorragender Fünfter.
Den Kontrast bildete der 30-jährige Martin Fuchs. Der langjährige Nationalmannschafts-Captain, der vor anderthalb Jahren vom Wettkampfsport zurückgetreten ist, holte sich für seine Reckübung mit 9,40 die zweithöchste Note des Tages. Nur Andreas Schweizer war mit 9,60 an den Ringen noch besser. Fuchs legte am Sonntag sogar noch einen Zacken zu und holte -- wie der zweite Überraschungsmann Kevin Bachmann -- sensationell zwei Titel. "Dabei", so Fuchs, "war ich eigentlich nur gekommen, um mich wenigstens an einem Gerät für einen Final zu qualifizieren...".
Wie im Vorjahr: Collaud vor Marti
Die Meisterschaft der Frauen endete mit dem gleichen Ergebnis wie im Vorjahr: Die Waadtländerin Annelore Collaud (18) siegte vor der Glarnerin Melanie Marti (17). Dritte wurde die Luzerner Ariella Käslin (16).
Der Vierkampf nahm einen ähnlichen knappen Ausgang wie 2002 in Rheineck. Damals gewann Collaud mit fünf Hundertsteln Vorsprung vor Marti, diesmal waren es 0,15 Punkte. Die Glarnerin hatte ihre Chance bereits in der ersten Disziplin durch zwei Stürze vom Schwebebalken (nur 7,25) vergeben. Auch Kaeslin patzerte an diesem Gerät (8,00), ansonsten Annelore Collaud die Titelverteidigung schwerer gefallen wäre. Kaeslin rehabilitierte sich dann in den Gerätefinals mit dem Gewinn von je zwei Gold- und Silbermedaillen.