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US-Neokonservative auf dem Rückzug

Samstag, 11. November 2006 / 10:32 Uhr
aktualisiert: 15:26 Uhr

Washington - Die Wahlschlappe der US-Republikaner hat im Weissen Haus einem neuen Pragmatismus den Weg geebnet.

Bushs Sicherheitsberater Hadley sieht Gemeinsamkeiten mit den Demokraten.

Die neokonservativen Ideologen haben kaum noch etwas zu sagen. Sie, die die ganze Welt verändern und ihr die Werte des Westens bescheren wollten, glauben ohnehin, nichts mit den aktuellen Problemen der Supermacht USA zu tun zu haben. Schuld seien «Inkompetenz» und «Missmanagement» in der Regierung von US-Präsident George W. Bush, so jüngst die Neokonservativen Kenneth Adelman und Richard Perle.

In der US-Hauptstadt dominiert jetzt die Suche nach einem parteiübergreifenden Dialog. Bush sucht vor allem die Nähe und den Rat moderat-konservativer Politiker, die bereits in den 90er Jahren wichtige Positionen innehatten - wie dem neuen Pentagon-Chef Robert Gates oder Ex-Aussenminister James Baker.

Keine grundsätzliche Änderung

Mit den demokratischen Kongress-Mehrheiten will Bush sich über Auswege aus dem Irak-Chaos, Antworten auf die Nuklearpläne des Irans und Nordkoreas oder über Lösungen für den Nahostkonflikt verständigen. Viele zweifeln an den Erfolgsaussichten - aber das Ergebnis könnte vor allem in Europa Enttäuschung und neue Probleme im transatlantischen Verhältnis bringen.

Sicherheitsberater Steve Hadley und Aussenamtssprecher Sean McCormack machten nur Stunden nach den «freundschaftlichen» Treffen zwischen Bush und der Führung der Demokraten deutlich, dass sich grundsätzlich an der US-Politik nichts ändern werde.

Hadley glaubt, dass es trotz aller Kritik quer durch die Parteien am Irakkrieg auch zentrale Gemeinsamkeiten in Washington gibt. Den globalen Führungsanspruch der USA teilen so gut wie alle Demokraten und Republikaner. Auch dem Kampf gegen Terrorismus und Islamismus messen sie hohe Priorität bei.

Ernüchterung im Weissen Haus

Jetzt, da die Neokonservativen mit ihrem wenig realistischen Optimismus über die Begeisterung der islamischen Welt für Demokratie und Freiheit vielfach diskreditiert sind, scheinen in Washington traditionell-konservative Sichtweisen die Oberhand zu gewinnen. Denn Bush hatte mit seinem hohen idealistischen Anspruch, westliche Werte zum Massstab der Politik zu machen, ein nüchternes Prinzip der US-Aussenpolitik im 20. Jahrhundert relativiert: das Primat der amerikanischen Interessen.

Unterstützten US-Präsidenten in der Vergangenheit oft genug rechte Militärjuntas, feudale Despoten oder brutale Diktatoren, wenn sie denn nur USA-freundlich waren, wollte Bush die Welt auch noch in Gut und Böse aufteilen und die Politik danach ausrichten. Nun ist in Washington Ernüchterung eingekehrt - allerdings auch über die Europäer.

Stillstand droht

Die USA setzten seit längerem - so beim Umgang mit Nordkorea oder mit dem Iran - auf die UNO und auf multinationale Initiativen. Aber «die selben Leute, die uns wegen Unilateralismus kritisierten, bemängeln nun, dass wir nicht alleine und entschlossen handeln», klagt Hadley.

Die Demokraten werden Kurskorrekturen der US-Politik bewirken können. Aber Europa muss sich auch verstärkt auf US-Forderungen nach mehr Engagement - im Irak, in Afghanistan oder im Sudan - einstellen. Zudem droht in Washington im schlimmsten Fall sogar eine weitgehende Lähmung der Politik. «Im Weissen Haus eine unpopuläre, »lahme Ente«, der Kongress in der Hand der Opposition und ein Frühstart zur Präsidentenwahl 2008 können ein Ergebnis haben: den völligen Stillstand.

(Von Laszlo Trankovits, dpa/sda)


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