Viel Applaus für Marthaler Sonntag, 6. Oktober 2002 / 10:19 Uhr
München - Obwohl das Schauspielhaus erst in knapp drei Wochen öffnet, hat Christoph Marthaler gestern Abend seine erste Premiere geliefert: Die Uraufführung von Elfriede Jelineks Kaprun-Stück In den Alpen wurde an den Münchner Kammerspielen freundlich aufgenommen.
 Christoph Marthaler kriegt viel Applaus.
Am 11. November 2000 verbrannten in der Gletscherbahn im österreichischen Kaprun 155 Menschen. Viele von ihnen waren Kinder und Jugendliche, die auf dem Weg zu einem Snowboard-Event waren. In Elfriede Jelineks Stück bekommen die toten Seelen noch einmal eine Stimme. Die Darsteller der Opfer tragen Pyjamas und darüber Teile von Skibekleidung. Zeitweise spielen sie mit den Leichensäcken, in denen ihre sterblichen Überreste entsorgt werden. Der Einfall hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Echte Betroffenheit entsteht dagegen, als gegen Schluss die riesige Lifttür im Hintergrund - Benutzung gebührenfrei - aufgeht und eine realistische Replik des Unglückstunnels enthüllt. Da stockt dem Publikum der Atem. Marthalers Markenzeichen - polyphoner Volksliedgesang und sinnentleerte Faxen - fehlen nicht und kommen beim Publikum gut an. Die textlastigen Partien im zweiten Teil fordern den Schauspielern das Äusserste ab und treiben einige von ihnen zu Glanzleistungen. Viele Zuschauer fühlten sich allerdings überfordert, einige nickten ein. Obwohl die Aufführung schon lange ausverkauft war, standen ein paar Dutzend Marthalerfans - darunter auch Zürcher - bis zuletzt erfolglos für Standby-Karten an. Der vom Schauspielhaus vorzeitig geschasste Regisseur bekam dann auch am Schluss der Aufführung zusätzlichen Solidarapplaus. (sda)
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