Viererbob-Medaillenträume versanken im Schnee Sonntag, 24. Februar 2002 / 01:55 Uhr aktualisiert: 12:06 Uhr
Park City - Martin Annen hatte die Medaille vor Augen. Doch die Medaillentärume versanken im im dichten Schneetreiben. Die Schweizer fielen vom 2. auf den 4. Rang zurück - 0,09 hinter der Bronzemedaille. Gold holte der Deutsche Andre Lange vor den zwei US-Bobs. Christian Reich wurde Sechster.
Die Annen-Crew, die in den beiden ersten Durchgängen jeweils
einen Startrekord aufgestellt hatte, geriet im 4. Durchgang schon
in der verschneiten Startspur ins Hintertreffen. Trotz einer
ordentlichen Fahrt vermochte der Steuermann die Niederlage nicht
mehr abzuwenden. Gold holte Andre Lange (De) vor den beiden
Amerikanern Todd Hays und Brian Shimer. Hinter Annen belegten Bruno
Mingeon (Fr) und Christian Reich die Ränge 5 und 6.
Annen trugs mit Fassung
Annen (28) trug den Rückschlag einigermassen mit Fassung. «So
ist der Sport», sagte der Schwyzer, «das wichtigste ist, dass wir
die Medaille nicht wegen eigener Fehler preis geben mussen. Die
äusseren Umstände waren halt gegen uns.» Nicht nur dichter Schnee,
sondern auch heftige Windböen fegten über die Startspur, als Annen
und seine Hinterleute Silvio Schaufelberger, Beat Hefti und Cédric
Grand für die vierte Fahrt bereit standen. «Wir zögerten den Start
so lange wie möglich heraus. Es änderte sich leider nichts, und als
uns nur noch 15 Sekunden zur Verfügung standen, musste ich das
Startzeichen geben», sagte Annen.
Unfaire Bahnarbeiter
Elf Hundertstelsekunden langsamer als im zweiten Durchgang
blieben die vier Schweizer auf den ersten 50 m. Die amerikanischen
Bahnarbeiter rührten natürlich keinen Finger, um die Bahn zu
wischen. Denn Shimer und Hays waren unmittelbar vor Annen gestartet
und hatten gute Zeiten vorgelegt. «Ich versank bis zum Knöchel im
Schnee», sagte Hefti, «die Laufspur war nicht mehr kompakt, sondern
wie Gummi, sodass wir nicht richtig einsteigen konnten.» Der
deutsche Bundestrainer Raimund Bethge bezeichnete das Verhalten der
Organisatoren als Frechheit: «Die wussten genau, dass Annen mit
einer guten Startzeit ihre Leute überholen würde.»
Erstmals seit 1964 ohne Vierermedaille
Erstmals seit 1964 blieb die Schweiz ohne olympische Viererbob-
Medaille. Christian Reich hatte die Chancen schon im zweiten
Durchgang preis geben müssen, als sein Bob die ganze Bahn mit einem
ausgeklappten Anstossbügel durchmass. Hintermann Urs Aeberhard
hatte den Knopf im Innern des Schlittens, mit dem der Bügel
eingeklappt wird, nicht richtig betätigt. «Ganz klar meine Schuld»,
sagte Aeberhard. «Nachher war die Luft angesichts des grossen
Rückstandes draussen», sagte Reich. Er fiel am zweiten Tag noch
zwei Ränge zurück. «Ich bin lieber Sechster als Vierter mit zwei
Hundertsteln Rückstand», so der Aargauer.
Zu Beginn des zweiten Tages überholte Annen trotz einer
mittelmässigen Fahrt sogar Leader Hays. Bloss Lange, der mit einen
phänomenalen dritten Lauf aufgewartet hatte, war ausser Reichweite
des Schweizers geraten. Die Reserve Annens auf den viertklassierten
Shimer betrug vor der Entscheidung immer noch ansehnliche 17
Hundertstel. Anlass zur Beunruhigung gaben aus Schweizer Sicht
freilich die 0,13 Sekunden, die Shimer Annen im dritten Durchgang
aufgebrummt hatte. Die fallenden Temperaturen wiederum sollten dem
Schweizer zum Vorteil gereichen, denn der schon 1988 von Ekkehard
Fasser beim Olympiasieg in Calgary verwendete Kufensatz gleitet bei
Kälte noch besser. Aber dann setzte der Schneefall ein...
Der im April 40 Jahre alt werdende Shimer stellte im Finale auf
mehr oder weniger blankem Eis sogar die Bestzeit auf und holte bei
seiner fünften Olympia-Teilnahme erstmals eine Medaille. Hays fing
seinen Landsmann knapp ab, aber Annen sah seine Chancen im Schnee
schwinden. Hays und Shimer gewannen für die USA die ersten
olympischen Medaillen im Männer-Bobsport seit 1956.
Stärker als die beiden Amerikaner war nur noch der Ostdeutsche
Andre Lange (29), der als erster Debütant seit seinem Landsmann
Wolfgang Hoppe 1984 in Sarajevo Bob-Olympiasieger wurde. Lange, der
Viererbob-Weltmeister 2000 und WM-Zweite 2001, lag nach halbem
Pensum noch gleichauf mit Annen auf Platz 2 nur neun Hundertstel
hinter Hays (33). Er sprang in die Bresche von Zweierbob-
Olympiasieger und Landsmann Christoph Langen, der wegen eines
Einrisses der Plantarsehne im rechten Fuss aufgeben musste.
Schlussklassement:
1. Andre Lange/Enrico
Kühn/Kevin Kuske/Carsten Embach (De 2) 3:07,51. 2. Todd Hays/Randy
Jones/Bill Schuffenhauer/Garrett Hines (USA 1) 0,30 zurück. 3.
Brian Shimer/Mike Kohn/Doug Sharp/Dan Steele (USA 2) 0,35. 4.
Martin Annen/Silvio Schaufelberger/Beat Hefti/Cédric Grand (Sz 1)
0,44. 5. Bruno Mingeon/Eric Le Chanony/Christophe Fouquet/Alexandre
Arbez (Fr 1) 1,05. 6. Christian Reich/Steve Anderhub/Guido
Acklin/Urs Aeberhard (Sz 2) 1,08. (von Daniel Good, Park City /sda)
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