ROGER FEDERER
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Was ist los mit Roger Federer?

Sonntag, 5. April 2009 / 12:36 Uhr
aktualisiert: 13:06 Uhr

Roger Federer gibt weiter Rätsel auf. Seine Leistungen schwanken von ausgezeichnet (am Australian Open) bis himmeltraurig (gegen Djokovic in Miami). Und Federer hat keine Ahnung, auf was die Schwankungen zurückzuführen sind.

Roger Federer zerstört sein Racket.

Wie nah ihm am Freitag in Key Biscayne die drohende Niederlage gegen Novak Djokovic ging, wurde klar, als er sein Wilson-Racket im dritten Satz zertrümmerte. Und wie ratlos Federer ist, zeigte sich nach der Partie bei den Erklärungsversuchen.

«Gott sei Dank ist die Hartplatz-Saison vorbei», sagte der beste und grösste Hartplatzspieler der Open-Ära. Es tönte, als ob die Aussicht auf ewig lange Grundlinienduelle auf Nadals Hoheitsgebiet (Sand) und Kick-Aufschläge auf seine labile Rückhand bei Federer Zuversicht weckten.

«Keine Nummer 2»

Vor acht Monaten - zu Beginn der Hartplatzsaison - tönte das anders. Federer sagte damals Nadal den Kampf an. Er sei keine Nummer 2. Wenn er die Nummer 1 abgeben müsse (was zwei Wochen später der Fall war), wolle er sie so schnell wie möglich zurückerobern, so Federer damals voller Zuversicht.

Tatsächlich triumphierte das Schweizer Tennis-Ass danach kurz nach dem 27. Geburtstag am US Open. Doch dann erfolgte im Herbst mit den Rückenproblemen der nächste Dämpfer.

Durch die Absicht, es so schnell wie möglich wieder allen zu zeigen, setzte sich Federer unter Druck. Derweil sich Nadal gut an die Nummer 1 gewöhnt hat, bekundet Federer mit der Verfolgerrolle offensichtlich noch Probleme.

Schwach am Schluss

Federers Selbstvertrauen-Tank ist im Moment nahezu leer. Es braucht enorm wenig, um ihn vom Weg abzubringen. Auch Fernando Verdasco in Indian Wells und Andy Roddick in Key Biscayne wäre das beinahe gelungen.

Federer sprach in Miami davon, dass ihn letzten Sommer die Niederlage in Wimbledon gegen Nadal «mental verletzt» habe. Federer macht nach der Niederlage im Final des Australian Open (wieder gegen Nadal) aber auch im Frühling wieder einen angeschlagenen Eindruck.

Seit Wimbledon hat Federer von 16 Entscheidungssätzen bloss noch sechs gewonnen - und keinen gegen einen Topgegner. Die Chancenlosigkeit in entscheidenden Phasen an den vier Turnieren dieses Jahres erschreckt die Federer-Fans.

Problem liegt im Kopf

In Doha (Murray), Melbourne (Nadal), Indian Wells (Murray) und Key Biscayne (Djokovic) holte Federer in den entscheidenden Sätzen im Schnitt nur zwei Games. Das Problem liegt sicher nicht im Stehvermögen, vielmehr im Kopf.

Denn im Gegensatz zu früher wird Federer in den heiklen Phasen von seinen Stärken wie dem Aufschlag (in Melbourne) oder der Vorhand (in Miami) im Stich gelassen. Von der Aura des einst fast Unbesiegbaren blieb im Laufe des letzten Jahres (trotz guter Resultate) nicht mehr viel übrig.

Die Coach-Kontroverse

Es bedarf Turniersiegen auf höchstem Niveau und Siege gegen Nadal, Murray und Djokovic, um Federers angeschlagene Psyche wieder zu stärken. Aber bei der Frage, wie Federer zum Siegen zurückfindet, scheiden sich die Geister.

Die Experten posaunen seit Monaten, Federer brauche wieder einen richtigen Coach. Federer hingegen ist überzeugt, den Rank wie während seiner allerbesten Jahre ohne permanenten Trainer zu finden.

Der Fall Cahill

Dennoch erkundigte sich Federer in den letzten zwei Jahren mindestens zweimal bei Darren Cahill nach dessen Verfügbarkeit. Und so ranken sich Fragen um das Coaching: Warum hat Federer immer noch keinen Coach, wenn er doch seit der Trennung von Tony Roche (Mai 2007) «die Augen offen» hält?

Warum meldete sich Cahill im Februar von sich aus bei Federer, um nach einer zweiwöchigen Testphase von sich aus gleich wieder abzusagen? Spielt Geld eine Rolle? Tony Roche tönte jedenfalls nach der Trennung vor zwei Jahren in australischen Medien an, dass sie sich auch finanziell nicht mehr gefunden hätten.

Mentaltrainer für Federer?

Severin Lüthi ist für Federer auf jeden Fall eine Billiglösung. Federer bezeichnet Lüthi auch «nur» als Fitnesscoach (gemäss ATP-Tour-Guide). Beim Turnierbeginn in Key Biscayne hatten Lüthi und Federer die Niederlage von Indian Wells vier Tage vorher noch nicht besprochen, obwohl beide im gleichen Haus logierten und miteinander reisten.

Federer bestimmt, zu welchem Zeitpunkt über heikle Themen gesprochen wird. Andy Roddick macht es andersherum: Er engagierte Coach Larry Stefanki für drei Jahre mit dem klaren Auftrag, ihm zu sagen, was er zu tun hat - ohne wenn und aber. Roddick ist nur ein Beispiel dafür, dass ein neuer Coach durchaus etwas bewegen kann.

Am ehesten braucht Federer im Moment aber einen Mentaltrainer. Einer, der im richtigen Moment die richtigen Worte findet - wie im Eishockey Ralph Krueger oder im Fussball Ottmar Hitzfeld. Letzten Herbst bewirkte Federers Visite nach der Niederlage gegen Luxembourg bei der Fussball-Nati ein kleines Wunder. Im Moment ist es Federer, der positiven Input dringend gebrauchen kann.

(Rolf Bichsel, Miami/Si)


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