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Wie Politiker Demokratie abschaffen

Montag, 23. Januar 2012 / 12:13 Uhr
aktualisiert: 14:17 Uhr

OK. Wulff ist eine Katastrophe, Merkel eine Verwaltungstechnokratin, Gingrich unausstehlich, Putin surreal, Sarkozy ein wandelnder Napoleon-Komplex, Obama nur im Wahlkampf zu gebrauchen, Barroso aalglatt, Orban ein Möchtegern-Führer und von den Schweizern fangen wir jetzt mal gar nicht an. Von wegen Kopfschmerzen und so.

Verwaltungstechnokratin neben Napoleonkomplex.

Es geht schon seit einiger Zeit die Theorie um, dass die Demokratie damit beschäftigt sei, sich selbst abzuschaffen. Eine Theorie, die gar nicht von so weit her geholt ist. Allerdings stimmt sie so nicht ganz. Denn abgeschafft wird die Demokratie von den Politikern, ausgerechnet jenen, die durch sie ins Amt gebracht werden.

Natürlich fällt da jedem sofort Viktor Orban, der ungarische Präsident mit Pfeilkreuzlerambitionen ein. Doch der ist ein zu krasses Beispiel und keineswegs repräsentativ für all die anderen Holzwürmer im Demokratiegebälk der westlichen Welt.

Die Entdemokratisierer sind dabei recht schwer unter einen Hut zu bringen. Weder was die politische Orientierung, Alter, Geschlecht noch bevorzugter Kleidungsstil bringen einen auf die Spur.

Auch das, was sie sagen, birgt nur selten Hinweise auf ihre wahren Motive, ganz einfach, weil praktisch alle Politiker immer gleich reden und alles Mögliche und erst recht jede Menge Unmögliches versprechen, wenn sie in den Wahlkampf ziehen, nur um dann nichts oder das Gegenteil von dem versprochenen zu machen. Doch das ist normal.

In diesem Sinne sind auch die Entdemokratisierer eigentlich ganz normale Politiker. Und viele sind sich nicht einmal Bewusst, dass sie damit befasst sind, die Demokratie zu vernichten. Sie glauben vielfach sogar, dass sie ihr einen Gefallen tun.

Dies zum Beispiel, wenn, wie in den USA, Firmen und Konzerne auf einmal zu Personen gemacht werden ... zumindest rechtlich. Die Folge daraus ist, dass nun die Äusserungen von Grosskonzernen mit der gleichen redefreiheitlichen Elle gemessen werden, wie die eines Normalbürgers. Einfach mit dem Unterschied, dass es nur wenigen Einzelpersonen gelingen dürfte, Stunden an Wahlkampfspots für Präsidentschaftskandidaten zu finanzieren.

Auch das Delegieren von Entscheidungskompetenzen an Kommissionen und Beamte, um sich selbst zu entlasten, ist so ein Sündenfall. Auf diese Weise werden immer grössere Bereiche des öffentlichen Lebens aus den Regierungen ausgelagert und zu Dingen, die «einfach so sind» ohne dass darauf noch Einfluss genommen werden kann.

Auch die direkte Demokratie lässt sich übertölpeln. Meist viel besser als man annehmen sollte. Zum Beispiel, indem Vorlagen mit falschen Versprechen beworben werden, wie etwa die Unternehmenssteuerreform II, die vor der Abstimmung mit Einnahmeausfällen von unter einer Milliarde quantifiziert wurde und jetzt vermutlich das fünffache Kosten dürfte.

Kommt dazu, das populäre Vorlagen wir die Alpen-Initiative die Demokratie ad Absurdum führen, denn verpflichteten damals die Stimmbürger die Schweiz zu Dingen, die sie gar nie umsetzen kann, ohne massiv internationales Recht zu verletzen und der Schweiz selbst zu schaden. So lebt die Schweiz hier in einem konstanten Verfassungsbruch und man muss sich Fragen, ob die Demokratie nun die Kunst des Machbaren oder Wünschbaren sein soll.

Genau mit solchen Wünschen operieren die Politiker beim Umgang mit ihren Wählern, genau wissend, dass die Unerfüllbarkeit von diesen nicht der prinzipiellen Unmöglichkeit der Begehren, sondern immer dem politischen Gegner angelastet werden können. So verlangen die Einen kürzere Arbeitszeiten für alle und die anderen unbeschränkte Gewinnchancen für die Unternehmen. Die Anhänger jubeln dementsprechend laut und ein «Aber» sollte besser nicht in den Mund genommen werden: Glaubenssätze werden formuliert, die am Ende meist an der Realität zerschellen. Doch die Schuld wird dem politischen Gegner zu geschoben.

Die Folgen der unerfüllten Versprechen, der falschen Schuldzuweisungen und der ewigen Frustration der betroffenen Stimmbürger sind völlig klar: Der Staat und die Demokratie sind in den Augen vieler Wähler unglaubhaft, der Wunsch nach «starker Führung» (wie z.B. Orban) wächst, obwohl eine solche Krisen in der Regel noch viel schlechter bewältigt als eine demokratische Regierung.

Fragt sich noch, was das Ziel der Politiker ist, die diese Art der Ent-Demokratisierung betreiben. Die Antwort dürfte einfach sein: Macht, Jobsicherheit und Geld. Denn durch die zunehmende Einflussnahme von Unternehmen und Lobbyisten auf die Politik sichern sich Volksvertreter, die Firmen- und Verbandsinteressen vor jenen ihrer Wähler wahrnehmen, ein sicheres Auskommen für die Zeit nach ihrer Polit-Karriere.

Dies im Gegensatz zu den Wählern, die von Ihnen zum Besten gehalten werden und begreiflicherweise immer mehr denken, dass die Demokratie vielleicht nicht so toll ist, wie sie sein könnte und müsste.(Patrik Etschmayer/news.ch)


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